Osteopathische Behandlung von Frauen mit Harninkontinenz. Eine kontrollierte klinische Studie.

Crista Grönwald, Martina Pantel

Studienziel: Hat die osteopathische Behandlung einen Einfluss auf die symptomspezifische und allgemeine Lebensqualität bei Frauen mit Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz und eine Kombination aus beidem, der Mischinkontinenz, verglichen mit der Standardtherapie Beckenbodengymnastik?

Studiendesign: Klinische kontrollierte Studie mit Follow-up nach 3 Monaten.

Material und Methoden: Die Studie wurde von zwei ausgebildeten Osteopathinnen in ihren Praxen in Kappeln und Lunden (Schleswig-Holstein) durchgeführt. 56 Patientinnen zwischen 25 und 46 Jahren (MW 40,1 ± 5,4 Jahre) mit ärztlich diagnostizierter Harninkontinenz nahmen teil, 30 Patientinnen wurden der Osteopathiegruppe und 26 der Physiotherapiegruppe zugewiesen. In der Osteopathiegruppe wurden nach Befunderhebung 4 osteopathische Behandlungen im Abstand von je 3 Wochen durchgeführt. Die vorgefundenen Dysfunktionen wurden individuell nach den osteopathischen Grundprinzipien behandelt. Die Patientinnen der Physiotherapiegruppe wurden von einer ausgebildeten Physiotherapeutin in ein Beckenbodentraining eingewiesen, die Anzahl und Abstände der Sitzungen waren identisch mit denen der Osteopathiegruppe. Die Übungsanleitung war ausgelegt auf eine selbstständige weitere Durchführung des Programms in häuslicher Umgebung. Der primäre Zielparameter umfasste die symptomspezifische und allgemeine Lebensqualität, erhoben über den „International Consultation on Incontinence Modular Questionnaire – Lower Urinary Tract Symptoms Quality of Life (ICIQ-LUTSqol)“ und den „EuroQol Group self-report questionnaire (EQ-5D) and self-rating of health-related quality of life (EQ-VAS)“. Als sekundärer Zielparameter wurden die symptomspezifischen Beschwerden und deren Ausmaß mit dem Messinstrument „International Consultation on Incontinence Modular Questionnaire – Urinary Incontinence Form (ICIQ-UI SF)“ sowie die osteopathischen Dysfunktionen erfasst. Drei Patientinnen schieden im Studienverlauf aus, im Rahmen der Intention-to-Treat Analyse wurden ihre Daten gemäß dem Prinzip „Last Observation Carried Forward (LOCF)“ gehandhabt. 

Ergebnisse: Der Intergruppenvergleich des primären Zielparameters symptomspezifische Lebensqualität (ICIQ-LUTSqol) zeigte keine statistische Signifikanz zugunsten einer der beiden Therapieformen (Differenz -1,9; 95%CI: -5,8 bis 1,9; p=0,3). Die osteopathische Behandlung zeigte mit einer Verbesserung von 16% (Differenz -5,9; 95%CI: -8,8 bis -2,9; p>0,001) eine leichte Überlegenheit gegenüber der Physiotherapie mit 12% (Differenz -4; 95%CI: -6,4 bis -1,5; p=0,003). Die allgemeine Lebensqualität (EQ-5D) stieg während der Interventionsphase in beiden Gruppen bezogen auf unterschiedliche Items in unterschiedlicher Ausprägung, die Selbsteinschätzung des heutigen Gesundheitszustandes (EQ-VAS) verbesserte sich in der osteopathisch behandelten Gruppe statistisch signifikant (p=0,04). Das Ausmaß der symptomspezifischen Beschwerden (ICIQ-UI SF) verringerte sich in beiden Gruppen, in der Osteopathiegruppe um 32% und in der Physiotherapiegruppe um 21% (Differenz -1; 95%CI: -2,7 bis 0,7; p=0,2). Alle Verbesserungen zeigten sich weitgehend konstant bei der Follow-up Erhebung.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Studie deuten auf einen positiven Effekt der osteopathischen Behandlung von Frauen mit Harninkontinenz bezüglich der symptomspezifischen und allgemeinen Lebensqualität sowie des Ausmaßes der symptomspezifischen Beschwerden, der sich vergleichbar mit der Effektivität des Beckenbodentrainings darstellt.